fitnessRAUM.de: Seit wann bist du als Personal Trainer aktiv?
Karsten Schellenberg: Ich habe 1984 als Trainer angefangen, Personal Trainer wurde ich erst später. Es war damals schon sehr fortschrittlich, wenn ein Studio überhaupt einen Trainer hatte. Es gab noch nicht mal Ergometer und Aerobic wurde noch auf Karatematten gemacht. 1985 hab ich meine erste Lizenz gemacht und im Studio Leute betreut, die Pläne geschrieben – alles noch ohne Computer. Das war richtige Handarbeit! Anfang der 90er-Jahre habe ich dann als Personal Trainer angefangen, nachdem ich aus den Staaten zurückgekommen bin.
fR: War es schwierig, die Kunden dazu zu bringen dein neuartiges Angebot in Anspruch zu nehmen?
K. S.: Ich hatte mir ja schon als Trainer einen Namen in den Studios gemacht, weil ich ziemlich engagiert war. Für mich als Leistungssportler waren Fortbildungen und auch der Austausch mit anderen Sportlern immer ganz wichtig. In den 90er-Jahren wurde man trotzdem schräg angeguckt, wenn man gesagt hat, dass man jetzt mit Personal Training anfängt. Das Klientel war auch spezieller, weil 40 Mark damals auch schon viel Geld waren. Da hatte man eher Anwälte und Ärzte – und so bin ich in bestimmte Kreise reingerutscht, an interessante Leute und zum Rundfunk und Fernsehen gekommen.
fR: Man nennt dich auch den "Motivator". Wie schaffst du es, die Leute dazu zu bringen, am Ball zu bleiben?
K. S.: Das Wichtigste ist, dass die Leute erkennen, dass du ihnen nicht ein X für ein U vormachen willst, und dass du mit Leib und Seele Sport machst. Ich bin zum Beispiel in drei verschiedenen Sportarten – regional, national und auch international – unter den Besten und auch Meister gewesen. Wenn du einen Breitensportler vor dir hast, musst du ehrlich mit ihm umgehen und kannst ihm nicht sagen, dass er in 8 Wochen 10 Kilo Fett abnehmen kann. Das geht physikalisch gar nicht, denn Körpermassenverlust ist nicht das Gleiche wie Fettverlust. Das erkläre ich den Leuten in ganz einfachen Worten, so wie ich es auch in meinem neuen Programm "Training pur" mache. So bekomme ich ihr Vertrauen.
Ein Beispiel: Ich habe mit jemandem abgenommen, der 168 Kilo gewogen hat. Den habe ich jetzt auf 130 Kilo runter. Im Moment hat er gar keinen Bock mehr auf Sport. Da hat es keinen Zweck, ihn zu etwas zu zwingen. Es ist doch so: Wenn ich mit jemandem arbeite, der nicht aus dem Leistungssport kommt, wird er auch mal keine Lust haben. Er kommt zum Beispiel um 17 Uhr von der Arbeit und hatte einen schlechten Tag. Dann kann ich ihn nicht ins Training zwingen. Training ist eine lebensbegleitende Sache. Da ist Fingerspitzengefühl gefragt. Trainer müssen Dienstleister sein und erkennen, wie jemand drauf ist. Die Kunst ist jemanden abzuholen und mitzunehmen.
fR: Wie kann man regelmäßiges Training in den oftmals stressigen, vollen Alltag integrieren?
K. S.: Wir als Trainer haben die Verantwortung zu entscheiden, wie weit wir jemanden mitnehmen. Wenn ich als Trainer einseitig bin und einem Freizeitsportler meine Philosophie aufdrücke, hat er alle Gründe zu sagen: "Ich kann heute nicht. Mir tut alles weh." Wenn ich aber erkenne, was der Klient will, dass er zum Beispiel ein Typ ist, der gerne draußen trainiert oder der keine Kniebeugen mag, dann stelle ich mich darauf ein. Das ist ein Geben und Nehmen! Hat jemand einen guten Tag, mache ich mit ihm das, was ihm Spaß macht und verstecke meine Übungen in diesem Konzept, sodass er gar nicht merkt, wie hart das Training eigentlich ist. Am Ende fand er’s dann gut. Im Leistungsbereich gibt es natürlich klare Konzepte. Da bin ich kein Partner, da bin ich der Trainer. Da übernehme ich die Verantwortung und es gibt keine Diskussion, was im Freizeitbereich schon der Fall ist.
fR: Wie funktioniert effektives Training?
K. S.: Im Leistungssport musst du einen roten Faden haben und du musst die Sachen machen, die dich zu deinem Ziel bringen. Im Breitensport kannst du so viel ausprobieren. Du kannst schwimmen gehen, Rad fahren, mein neues Programm "Training pur" machen. Das Wichtigste ist, dass es Spaß macht! Ernsthaftigkeit ja, Technik ja, aber auf jeden Fall muss es Spaß machen! Immer mit einem kleinen Augenzwinkern. Wenn du Bock hast zu trainieren, dann braucht man von Zweifeln gar nicht zu reden. Oft wird auch der innere Schweinehund vorgeschoben – dabei ist das doch Quatsch: Ein Schwein ist schlau, ein Hund treu und leistungsfähig. Ich weiß also gar nicht, von was die Leute erzählen. [lacht]
fR: Was kannst du uns über dein neues Programm "Training pur" erzählen?
K. S.: Viele Freizeitsportler werden heutzutage medial falsch beeinflusst. Es werden dann zum Beispiel Übungen aus dem Leistungssport für den Freizeitsport adaptiert. Das funktioniert aber schon allein von der Anpassung nicht. Im Training nehmen zuerst die Muskeln ein neues Niveau an, dann das Herz-Kreislauf-System und zum Schluss die Bänder und Gelenke. Manche beginnen mit Übungen für aus dem Leistungssport, die bei Anfängern zuerst die Gelenke belasten und das birgt Verletzungsgefahr. Wir fangen daher langsam an. Deshalb haben wir mein Training auch "Training pur" genannt. Es richtet sich schon an Leute, die sich etwas zutrauen und die Bock haben, richtig zu schwitzen. Wir machen hier keinen Schnickschnack, sondern Übungen, die tief gehen. Jeder, der ein bisschen was mitbringt und mit Geduld rangeht, kann mitmachen. Die Übungen sind aufbauend und verändern sich in ihrem Bewegungsablauf. Es gibt 10 verschiedene Kombinationen, die klar und deutlich erklärt werden. Wenn man mitturnt, wird man Stück für Stück trainiert. Am Ende kann man das ganze Workout mitmachen.
fR: Hast du Tipps fürs Training zuhause?
K. S.: Training zuhause funktioniert nur dann, wenn du es ernsthaft betreibst. Es muss zu einer festen Zeit stattfinden und du musst eine gute Trainingsfläche haben. Da darf nicht das Telefon oder der Nachbar klingeln. Es sollte auch nicht der Fernseher laufen oder nebenher etwas anderes gemacht werden. Musik als Motivation ja, aber keine Ablenkungen wie Handy oder Haushalt! Training zuhause wird oft so ein bisschen runtergespielt, aber das stimmt nicht. Die Übungen können anspruchsvoll sein, das sieht man an meinem Workout. Ich habe auch tolle Kollegen, die gute Programme für zuhause haben. Starte mit einem Warm-up ins Training und mache zuhause auch ein Cool-down. Du kannst natürlich nach dem Training auch in die Wanne gehen, was einen sehr guten Entspannungseffekt hat.
fR: Unterscheidet sich das Training für Männer und Frauen?
K. S.: Eigentlich nicht. Es gibt physische Konstellationen, die Mann und Frau unterscheiden. Aber es kommt trotzdem vielmehr darauf an, was eine Frau oder ein Mann will. Ziele müssen realistisch gesteckt werden. Das ist für mich das Allerwichtigste! Ein Kilo Fett sind 7000 und ein paar zerquetschte Kalorien. Du brauchst so und so lange, um diese Kalorien zu verbrennen. Es ist sehr schwer 10 Kilo Fett hintereinander abzunehmen, aber du kannst schnell Masse verlieren, Körperflüssigkeiten (Anm.: Magen, Darm, Blase) und viel Wasser aufgrund von Kohlenhydrat-Reduktion. Man muss jedem ernsthaft sagen, wie lange er braucht, um sein Ziel zu erreichen. Bei einer Frau dauert es in der Regel etwas länger Muskulatur aufzubauen. Es gibt aber auch andere Beispiele. Training ist also sehr individuell. In der Trainingshärte und -ausführung nehmen sich Männer und Frauen nichts. Ganz im Gegenteil! Frauen sind auch bereit, richtig hart zu trainieren. Im Freizeitbereich ist das vielleicht aber auch gar nicht nötig. Wenn du manches zu hart und zu schnell angehst, verlierst du auch die Lust.
Das Wichtigste im Freizeitbereich ist: Du musst Spaß haben, du musst die Bewegungen verstehen und du musst dich ausleben können. Dann hast du auch gar keinen Grund zu sagen: Ich habe keine Lust aufs Training!